Das F-Wort neu definiert

Was wir über Feminismus denken

Buchempfehlung

von Sarah Kappherr

Vor einiger Zeit habe ich mir ein Buch gekauft, welches den Titel „Good Night Stories for REBEL GIRLS – 100 außergewöhnliche Frauen“ trägt. Das Buch wurde von Elena Favilla und Francesca Cavallo geschrieben. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichten von 100 beeindruckenden Frauen auf jeweils einer Seite zusammenzufassen und mit Hilfe von vielen Künstlerinnen zu jeder dieser Frauen eine Illustration hinzuzufügen.

Dieses Buch hat mich direkt mit der ersten Seite umgehauen. Auf dieser steht folgendes Zitat: „An alle rebellischen Mädchen dieser Welt: Träumt größer, zielt höher, kämpft entschlossener und im Zweifelsfall merkt euch: Ihr habt recht.“

Ich möchte nun eine Geschichte aus diesem Buch erzählen, weil diese mir besonders im Gedächtnis geblieben ist. Es handelt sich hierbei um die Geschichte der Schwestern Mirabal. Patria, Minerva, Maria Teresa und Dede waren vier Widerstandskämpferinnen in der Dominikanischen Republik im 20. Jahrhundert. Zu dieser Zeit kam in ihrem Heimatland ein grausamer Diktator namens Rafael Trujillo an die Macht. Die vier Schwestern nahmen den Kampf für die Freiheit ihres Landes auf und alle, die sich auch gegen die Diktatur aussprachen, nannten sie „Las Mariposas“ (die Schmetterlinge). Ihr Ziel war es, die Demokratie in ihrem Land wiederherzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, verteilten sie beispielsweise Flugblätter oder organisierten Kundgebungen gegen den Diktator. Minerva war sogar eine der Organisatorinnen des Widerstands gegen die Diktatur. Dies ging Trujillo natürlich gegen den Strich, denn er war der Meinung, dass Frauen nur als Begleitung zu Feiern von Nutzen waren. Ansonsten sollten sie seine Geschenke annehmen, sich höflich bedanken und den Mund halten. Reden durften sie nur, wenn sie ihn mit Komplimenten überhäuften. Trujillo versuchte auf einer seiner Tanzfeiern Minerva den Hof zu machen, doch sie wies jegliche Annäherungsversuche zurück. Er war allerdings der Meinung, dass Frauen auf keinen Fall anderer Meinung sein sollten als er und nicht die Stimme gegen ihn erheben dürfen. Deshalb ließ er Minerva einen Tag nach dem Tanz verhaften und sie wurde erst wieder freigelassen, als sie sich auf den Wunsch und das Betteln ihrer Familie beim Diktator entschuldigte. Des Weiteren war der Diktator sehr beunruhigt durch den Aufstand der Schmetterlinge und sah seine Macht schwanken, deshalb versuchte er mit allen Mitteln sie zum Schweigen zu bringen. Zum Beispiel verhinderte er, dass eine der Schwestern ihren Beruf als Anwältin ausüben durfte.

Dede erzählte einem in einem Interview, dass sie sich noch genau an den Tag erinnere, als ihre Schwestern kaltblütig ermordet wurden. Minerva (34), Patria (36) und Maria Teresa (25) brachen an diesem Tag (25.11.1960) früh auf, um ihre Männer in einem weit entfernten Gefängnis zu besuchen. Diese waren auch wegen des Widerstandes gegen die Diktatur inhaftiert worden. Dede blieb zu Hause und kümmerte sich um ihre Kinder und die ihrer Schwestern. Nachts wartete sie auf die Rückkehr ihrer geliebten Schwestern. Sehr früh am nächsten Morgen erschien ein Reiter, welcher Dede die furchtbare Nachricht überbrachte. Ihre drei Schwestern und der Fahrer seien bei einem schrecklichen Autounfall ums Leben gekommen. Dede war sofort bewusst, dass Trujillo ihre Schwestern hatte ermorden lassen. Ihre Vermutung bestätigte sich, als einen Tag später die Särge ankamen und sie diese öffnete. Die Schädel der toten Schwestern waren zertrümmert und am Hals waren Würgespuren zu erkennen. Dede schnitt ihrer jüngsten Schwester Maria Teresa heimlich den Zopf ab, um sich für immer daran zu erinnern, wie oft sie ihre Haare mit viel Liebe und Hingabe in ihrer Kindheit geflochten hatte. Dede erzählte in einem Interview von einer schrecklichen Leere, die sie nach dem Tod ihrer Schwestern erfüllte.

Immer wieder wurde sie von ihren Kindern und den Kindern ihrer Schwestern gefragt warum sie noch lebte. „Mich hat nur die Verpflichtung lebendig gehalten, mich um die Kinder zu kümmern und das Andenken an meine Schwestern aufrecht zu erhalten“, sagte Dede. Mit der Ermordung der drei Schmetterlinge hatte Trujillo seinen Untergang besiegelt. Er wurde am 30.05.1961, ca. ein halbes Jahr nach dem Tod der Schwestern, bei einem Attentat erschossen.

„Eine späte Genugtuung erlebte [Dede] Mirabal 35 Jahre später. Am 16. August 1996 saß sie in der ersten Reihe, als ihr Sohn Jaime David als Vizepräsident des Landes vereidigt wurde. Zum gleichen Zeitpunkt zog Minou, die 1956 geborene Tochter ihrer Schwester Minerva, als stellvertretende Außenministerin in ein Gebäude, in dem Trujillo einst rauschende Feste feierte.“

Heute ist das Haus, in dem die Schmetterlinge lebten, ein Museum und im Garten unter einem Gedenkstein liegen die Überreste der drei Frauen, die für die Freiheit ihres Landes ihr Leben gelassen haben. In der Dominikanischen Republik werden sie inzwischen als Nationalheldinnen gefeiert.

„Als 1981 auf dem ersten feministischen Kongress lateinamerikanischer Frauen über sexistische Gewalt debattiert wurde, schlug die dominikanische Schriftstellerin Angela Hernández den Todestag der „Hermanas Mirabal“ als „Aktionstag gegen Gewalt an Frauen“ vor. „Minerva, Patria und María Teresa sind Symbol für die sexuelle, politische und kulturelle Gewalt, unter denen Frauen in aller Welt zu leiden haben“, betonte sie. Dieser Aktionstag ist jedes Jahr der 25.11. Meiner Meinung nach ist dies eine außerordentliche feministische Geschichte über vier Frauen, die alles für ihr Land taten und sich nicht von Männern unterkriegen ließen. Patria Mirabal sagte einmal „Wir können nicht zulassen, dass unsere Kinder unter einem korrupten, tyrannischen Regime aufwachsen.“ Und genau dies haben sie erreicht. Sie haben es geschafft, dass ihre Kinder nicht unter der Herrschaft dieses grausamen Diktators aufwachsen mussten.

Zum Schluss würde ich gern noch einmal auf das Buch der 100 außergewöhnlichen Frauen zurückkommen. Dieses Buch dient nicht nur als Inspiration für alle Frauen auf dieser Welt, sondern auch als Beweis für alle Männer zu was Frauen überhaupt in der Lage sind. Von Sängerinnen, Schauspielerinnen bis zu Sportlerinnen oder Politikerinnen – jede Frau hat die Möglichkeiten etwas Herausragendes zu leisten. Dieses Buch unterstützt und ermutigt Frauen, selbst mutig und stark zu sein und dass man für seine Rechte, Gefühle und Gedanken einstehen sollte. Das Buch ist also von meiner Seite aus eine absolute Empfehlung, selbst für Menschen, die nicht besonders gern lesen, denn diese wahnsinnigen Geschichten sind immer kurz und knapp auf einer Seite zusammengefasst, und sollte man sich für eine Frau ganz besonders interessieren (was definitiv der Fall sein wird!), kann man mehr über diese recherchieren, so wie ich es mit den Schmetterlingen auch getan habe.

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